Wer wir sind – und wer wir sein wollen

Gegründet haben wir uns Ende 2022 – mit der Absicht, zusammen eine langfristige Versorgung der Mitglieder mit regional angebautem, saisonal geernteten Gemüse zu ermöglichen. Mit höchsten Ansprüchen an Qualität und Naturschutz, und mit fairer Entlohnung, Wertschätzung und Ausgleich für alle Beteiligten. Das Modell der Solidarischen Landwirtschaft gibt es seit etwa 10 Jahren in Deutschland.

Solidarische Landwirtschaft(en)

Solidarische Landwirtschaften – kurz: Solawi(s) – gibt es in den unterschiedlichsten Formen. Eine Sache haben alle gemeinsam: die Verbraucher versuchen, auf vielfältige Probleme in der traditionellen Landwirtschaft eine andere Antwort zu finden.

In der klassischen Landwirtschaft ist etwa Naturschutz schwer umsetzbar. Mit großen Maschinen, Kapitaleinsätzen und Monokulturen zu arbeiten ist ein finanzielles Muss. Der Wunsch der Kunden nach einem Saison- und Regionunabhängigen Nahrungsmittelangebot sorgt für weite Lieferwege, komplexen Lieferketten und einem Export des Elends. Genauso schwierig ist eine faire Bezahlung der Landwirte vor Ort: vor allem selbstständige Betriebseigentümer gehen meist mit geringsten Löhnen nach Hause, und das nach langen Überstunden und bei großen persönlichen Risiken. Gegengesteuert wird mit Subventionen, Verboten und anderen staatlichen Vorgaben, die Landwirte sind vor allem eins: den Entscheidungen ausgeliefert.

Alle genannten Probleme lassen sich nur durch ein Bewusstsein und Umdenken der Verbraucher lösen: unser Konsumverhalten bestimmt die Lebensmittelproduktion. Wir müssen uns wieder bereit dazu erklären, regional und saisonal zu essen; wir müssen Impulse alternativ zur weitläufigen Flächennutzung durch Monokulturen setzen; wir müssen eine korrekte Bezahlung ermöglichen.

Das heißt nicht zwingend und alleine nur, dass die Verbraucher bereit sind, mehr zu bezahlen. Denn: die regionale Verwertung landwirtschaftlicher Erzeugnisse, der direkte Weg zwischen Gemüseanbau und uns als Abnehmer bietet eine Möglichkeit zur Verbesserung der Verhältnisse für Erzeuger und Konsument – indem Zwischenhändler und die Notwendigkeit für Lagerung, Transport und Verkauf wegfallen. Es gilt:

Von einem Euro, den Verbraucher etwa für Kartoffeln ausgeben, kommen beim Landwirt nur 36ct an.

Situationsbericht 2023/24 des Deutschen Bauernverbandes, 1.3 Nahrungsmittel. Quelle

Der Rest geht an Verarbeitung und Vermarktung – bei Primärprodukten, etwa frischem Gemüse, ist aber gerade die Verarbeitung quasi nicht existent. Zwei Drittel der von uns bezahlten Preise bleiben also „auf der Strecke“.

Gerade hier im ländlichen Raum zeigt sich diese Situation als Paradox: umgeben von Feldern und landwirtschaftlichen Betrieben wohnen wir – und trotzdem kommt unser Essen aus aller Welt.


Mitglieder einer Solawi erklären sich dazu bereit, teilnehmende Landwirte durch einen monatlichen Beitrag zu unterstützen. Im Gegenzug dazu bekommen Sie einen Anteil an der Ernte. Diese Vereinbarung steht in der Regel für ein volles Jahr, wie bei uns.

Die Beiträge werden so gerechnet, dass eine faire Bezahlung der Erzeuger möglich ist. Der Anbau der Lebensmittel ist stets unmittelbar regional; die Ernteanteile sind immer saisonal bestimmt, und kommen direkt vom Acker zu den Mitgliedern. In der Produktion wird der Natur- und Umweltschutz vorne angestellt. Wir verzichten auf chemische Pflanzenschutzmittel oder synthetische Dünger.

Viele Solawis bieten zudem noch etwas: die Teilnahme der Mitglieder an der Produktion. So wird es uns wieder möglich, zu sehen und zu verstehen wo und wie unser Essen entsteht – und nur durch dieses Verständnis wird unser Bewusstsein dafür überhaupt erst möglich. Die Wertschätzung gegenüber den Produzenten muss wieder steigen.

Weitere Infos findet man auf der Webseite des Netzwerk Solidarische Landwirtschaft e.V.

Selbstverständnis

Und genau hier sehen wir uns: als Gruppe von Verbrauchern, letztendlich, die nicht mehr einfach nur einkaufen gehen möchte – sondern ein Zeichen setzt. Wir alle bezahlen einen festen monatlichen Betrag, und bekommen dafür laufend bereitgestellte Kisten voll mit Obst und Gemüse als Anteil an der Ernte. Die kommt zum größten Teil aus unserem eigenen Anbau, jetzt ergänzt um Produkte von kooperierenden Landwirten aus der Nähe. Denn: jetzt zu Beginn des Projekts lässt sich eine so gewünschte Versorgung nicht anders ermöglichen.

Aber: es ist auch ein Paradox, Probleme in der Landwirtschaft zu erkennen und lösen zu wollen – und dann mit einem eigenen Gemüseanbau zuerst „in Konkurrenz“ zu gehen. Bewusst ist uns das sehr wohl: das Ziel ist es, den eigenen Anbau auf das nötigste zu beschränken. Unser Schwerpunkt soll auf allem anderen liegen. Solawi muss auch ohne eigenen Anbau funktionieren können, finden wir.

Was wir aber auch bemerkt haben: im Verein wurde die Möglichkeit zur Mithilfe im Garten sehr aktiv angenommen. Der Großteil der nötigen Arbeit wurde im ersten Jahr von freiwilligen Helfern verrichtet. Es zeigte sich: in einem koordinierten Gemeinschaftsgarten, wie wir ihn aktuell führen, kann jeder helfen – ohne dass es sich wie Arbeit anfühlen muss. In Summe kommt so eine gute Ernte zustande, „ohne Verlitt“ – den Effekt hatten wir unterschätzt.

In Zukunft werden wir daher vor allem einen Weg gehen: wir sind kein Gemüse-produzierender Betrieb. Wir sind Gemeinschaftsgarten, Veranstaltungsort, wir koordinieren die Abholungen und das Befüllen der Kisten, und so weiter. Und wir ergänzen bestehendes Angebot durch unseren eigenen Garten, um eine gleichmäßige Versorgung zu gewährleisten, um alte und spezielle Sorten anbieten zu können, und um nicht den Faden zu verlieren. So soll zumindest die Zukunft aussehen: Stand heute sind immer noch etwa 90% des Inhalts der Kisten aus eigenem Anbau zu erwarten.

Im Vergleich zu anderen Solawis

2024 ist unser zweites Jahr. Wir haben Erfahrungen gesammelt und Grundlagen gelegt, aber: wir sind immer noch in erster Linie ein Gemeinschaftsgarten unter fachkundiger Anleitung, und können nicht behaupten, Profis zu sein. Wir belohnen die Mithilfe im Garten: erledigte Aufgaben resultieren in einem Nachlass auf die monatlichen Beiträge. Verpflichtend ist die Mitarbeit dennoch nicht.

Unser Ganzer Anteil ist kleiner wie der Ganze Anteil anderer Solawis, dementsprechend kostet er auch weniger. Auch berechnen wir nur für 10 Monate Beiträge, Ernte gibt es für 8 Monate, nach Vorlauf. Wir haben keine Winterversorgung im Angebot, Stand heute. Die damit verbundenen Aufwände für Lagerhaltung und die Auswirkungen im Garten scheuen wir (noch).

Und nicht zuletzt: wir sehen es nicht als Notwendigkeit, dass die gesamte von uns verteilte Ernte von unseren eigenen Flächen kommt. Es bleibt immer bei einer Gemüsekiste, und es ist zwingend immer mit höchsten Standards und absolut regionalem Bezug verbunden. Ganz konkret haben wir 2024 eine Obergrenze von 10% des Kisteninhalts für den Zukauf, der nur Bioland-zertifiziert und aus Anbau mit weniger wie 25km Abstand zu Inneringen sein kann.

Im Vergleich zum eigenen Garten

Einen eigenen Garten hatten wir schon eine Weile. Auf knapp 200 Quadratmeter bauten wir Gemüse für uns selbst an. Damit kommt man weit – eigentlich. Denn es heißt nicht zu unrecht: „Ein Garten will jeden Tag seinen Herrn sehen“. Den Vorteil hat für uns die Solawi ganz klar gegenüber dem eigenen Garten davor: es ist immer jemand da, der danach schaut. Und auch wenn wir mal im Urlaub sind, wird gegossen.

Einen eigenen Garten haben wir privat aber trotzdem auch noch. Es gibt einige Sachen, die machen in keinem anderen Format Sinn, finden wir – etwa Küchenkräuter. Wir arbeiten hier an einer Lösung, die es einfacher macht, beides zu integrieren.

Die Umstellung unserer Ernährungsgewohnheiten

Wer Teil unserer Solawi ist, bekommt jede Woche eine Kiste der aktuell möglichen Ernte: saisonal und regional bestimmt, „Vorgegeben“.

Das hört sich zuerst wie eine Einschränkung an. Doch es muss klar sein: so funktionierte Ernährung für die letzten Jahrhunderte. Die komplette Wahlfreiheit im Supermarkt zu jeder Jahreszeit und unabhängig vom Ort ist eine Erfindung der Neuzeit. Einerseits sehr bequem; andererseits kennt jeder auch die „Qual der Wahl“ – und von den Auswirkungen dieses Systems auf Natur, Mensch und Umwelt müssen wir nicht berichten.

Man arrangiert sich schnell mit dieser Veränderung. Nach einer Weile heißt es nicht mehr: „Was koche Ich heute?“ – vor dem Einkauf; stattdessen heißt es „Was mache ich daraus am besten?“ nach der Abholung. Verarbeitet bekommt man es immer, ohne sich lange Gedanken machen zu müssen. Und so lernt man (wieder), warum Kohlgerichte zum Herbst passen und frische Salate ins Frühjahr. Gemüse erlebt man dann als Teil des Jahres; sich auf die erste Zuchini so zu freuen wie über das Ende der Zuchinierntezeit gehört zum Leben dazu.

Basilikum-Pesto gibt es dann eben frisch nur für 3 Monate; danach muss man sich wieder über Methoden zur Haltbarmachung aus vergangenen Zeiten informieren. Man merkt dann auch wieder erst, wie lange ein im Herbst geernteter Kürbis im Keller durchhält (6 Monate) und wie man durch Nachreifen auf der Fensterbank auch im Dezember noch Tomaten aus dem eigenen Garten haben kann. Die Überraschungen waren für uns hier immer positiv, finden wir.